Sinistrität
Sie sind in Schwarz.
Sie sind mies drauf.
Sie sind berauscht.
Und: Sie sind ohne Plan.
Die Rede ist nicht von etwaigen Abiturienten nach einem ausgiebigen Abiball, sondern von linken Protestanten in Hamburg.
Ach, wer kennt es nicht? Man zieht seine Runden durch Ottensen (Hamburg) und trifft dabei auf eine Menge in Schwarz gekleideter Demonstranten.
Das Auge des Zyklons verbirgt sich hinter einem Dickicht aus Zigarettenrauch und leeren Bierflaschen: ein kleiner Demowagen, aus dessen klotzigen Verstärkern "Gangsta-Rap" / "Links-Gangsta-Rap" oder etwas vergleichbar Hochwertiges dröhnt.
Schwarze Pullis und Jogginghosen, soweit das Auge reicht. Hier und da ein Paar richtig coole Typen mit neonfarbiger Frisur und Jeansjacke.
Kleine Gruppen angetrunkener Jugendlicher brabbeln vor sich hin. In der Schlange zum Demowagen schauen zahlreiche Teilnehmer, von der Informationsflut der schweigenden Organisatoren zu sehr beansprucht, in ihre Handys.
Die Stimmung ist am Siedepunkt.
Irgendwann fangen die Veranstalter doch an, die Demonstranten mit einer langweiligen Gutmenschenrede zu belästigen. Manche erkennen die Ungunst der Lage und schleichen sich vorsichtig aus der Masse.
Der harte Kern aber beißt in den sauren Apfel und hält durch. Marx sei Dank nicht sehr lange: Schon bald ist der letzte Redner mit seinem, "Beitrag", fertig. Der Zug setzt sich in Bewegung.
Es folgen drei Stunden - glücklicherweise fast ununterbrochenen - Fußmarsch. Wenn doch gehalten wird, werden prompt revolutionäre Selfies und Live-Videos gemacht.
Von Transparenten ist so gut wie keine Spur.
Sporadisch sieht man in weiter Ferne kümmerliche, von den Veranstaltern veteilte Schilder mit dem hochgradig informativen Inhalt einer Faust auf rotem Hintergrund.
Selbst die sonst immerwährenden Hassparolen gegen Staat und Polizei halten sich in Grenzen. Die ganze Aktion wirkt wie eingeschläfert.
Wäre da nicht der herzerwärmende Eifer und Elan der Demonstranten...
Wirklich ergreifend, mit welcher Hingabe sie versuchen, aus den von Ihrem pompösen Rauschgiftkonsum noch verschonten Gehirnresten eine Antwort auf die Frage zusammenzukratzen, was denn Anlass für ihre ja so bedeutende Veranstaltung sei.
Und wenn es manchen nicht gelingt, ist es auch halb so wild. Schließlich sind wir doch alle wehrlose Opfer des bösen, bösen Kapitalismus...
Meine herzlichsten Glückwünsche an all die tüchtigen Linken dort draußen! Der Nachwuchs ist so charmant und feinfühlig, kurzum politisch begabt, wie ein Tritt in den Hoden.
Und habt keine Angst vor all den doofen Idioten, die euch kritisieren - Kevin Kühnert feuert euch aus der Anstalt kräftig an.
25.04.2019 @ 18:22